Seit zwei Wochen bin ich jetzt schon in Salzburg. Genieße mein Heim, Natur, Berge, Stadt und mir liebe Menschen. Weit weg scheint der Cammino zu sein.


Allerdings trügt dieser Schein: immer wieder tauchen Gedanken, Bilder, kleine Begebenheiten, herzliche Begegnungen, Momente großer Dankbarkeit in mir auf.


Eigentlich hätte ich auch etwas Wehmut erwartet, so ein „Schade-Gefühl“ … ist aber nicht.
Immerhin umfasste mein ursprünglicher Plan doch eine wesentlich längere Strecke, von der ich ein gutes Viertel tatsächlich zurück gelegt habe.
Statt dessen meldet sich die Sehnsucht. Der ich, überrascht und irgendwie erfreut, durchaus Raum schenke.
Dazu glaube ich fest, dass die Erfahrungen auf dem Weg des Hl. Benedikt meinen Füßen künftig zu Gute kommen werden.


Und – so Gott will – werde ich mich im späten Herbst wieder auf den Weg nach Poggio Bustone machen – San Giacomo ist ein Sehnsuchtsort geblieben.
Und – so Gott will – werde ich von dort erneut aufbrechen: die Via Michaelis Arcangeli führt Richtung Süden … 😉

von Altmünster am Traunsee über Weyregg am Attersee und wieder zurück (ca. 70 km).

Konditionell ein wenig herausfordernd, das Gelände wechselt oft, bei bzw. nach Regenwetter ziemlich rutschige Teilstücke.
Was den Weg sehr reizvoll macht, ist auf jeden Fall sein Verlauf in einer Achterschleife, die sich bei Reindlmühl kreuzt.
Lange Strecken über einsame Abschnitte, immer wieder besinnliche Plätzchen – drei wunderbare Pilgertage nur für mich!

Altmünster > Weyregg

Mörderaufstieg: eine Std diritissimma im Schlamm nach oben, ohne Stöcke geht gar nichts. Berggasthof Schwarz macht’s wieder gut. Bis Weyregg begegne ich keiner Menschenseele mehr. Und zum Finsterwerden ist auch schon der Attersee in Sicht (samt Quartier).

Weyregg > Hochkreut

Der Attersee am Morgen hat einiges zu bieten, dann geht’s wieder bergauf. Mittagspause und Wassertanken bei der Seeleitenhütte (die ist leider zwischenzeitlich abgebrannt), dann wieder Menschenleere auf endlosen Forstwegen. Am Hockkreut etwas in die Irre gewandert, aber wieder rechtzeitig zum Einbruch der Nacht ein Bett gefunden. Schön war’s!

Hochkreut > Altmünster

Frühmorgens schon der erste Kreuzweg bergauf – der Taferlberg mit der Richterkapelle und dem Quellbrunnen ist ein ganz alter Kraftort – und dann noch einer bergab. Langsam geht es wieder dem Kreuzungspunkt Reindlmühl zu. Und dann noch einmal krass bergauf, bei geradezu hochsommerlichen Temperaturen. Das sind dann die Momente, in denen ich mich nach dem Warum frage … bis sich der Traunsee wieder ins Bild schiebt und die Frage beantwortet.

Pilgerpass, Pilgerführer, Pilgerlektüre: alles im Zeichen des Hl. Benedikt

Der Weg

von Norcia (Umbria) bis Montecassino (Lazio), ca. 300 km.
Die angegebenen Etappen (16 Tage) sind allerdings nicht wirklich relevant: Lust, Laune, Wetter, Landschaft und sonstige Gegebenheiten werden die Tage, den Weg vorgeben und gestalten.
Und die Vorfreude ist riesengroß :-))

Reisefertig

20 kg: das schreit nach Reduktion!

Zwischenstop in Rom

Ich mag diese Stadt – zu jeder Tageszeit, zu jeder Jahreszeit.

Abwarten

Nachdem halb Italien unter Wasser steht: Nettuno bei Regen und sehr moderaten Temperaturen hat auch seinen Reiz! Lilo und sämtliche HundekollegInnen dürfen den Strand noch für sich genießen – die Saisoneröffnung ist vertagt.

Los geht’s

Erleichtert auf 15 kg (glaubte ich gestern noch) – heute morgen mit Wasser und Tagesverpflegung leider wieder auf 16,7 kg angewachsen … und jetzt Abschied von Nettuno, mit dem Zug über Rom nach Spoleto. Übrigens: wenn Engel reisen, reisst der Himmel 😇🌞

Spoleto

Ilaria, beste italienische Freundin, beste römische Tour-Guide und beste italienische Geschichtskennerin hat mich nahezu genötigt, auf der Anreise nach Norcia einen Tag in Spoleto zu verbringen – zur Einstimmung auf Umbrien sozusagen. Grazie, amore! 🙏🏼 Nach Zimmerbelegung ist der Nachmittag frei für eine Tour durch das mittelalterliche und autofreie Zentrum. Der Dom ist richtig zum Staunen, die Burg on the top bietet eine Rundumsicht über das grüne Land. Genial dabei: ewig lange Förderbänder transportieren die Menschen vom Parkhaus über einige Stationen im Berginneren kostenfrei und unkompliziert nach oben (Gruß an Salzburg) 👏🏼

Norcia

Mit dem Bus durch das „grüne Umbrien“, wie es die ItalienerInnen nennen.

Und dann in Norcia der große Schock: Benedikt als einziger hoch aufgerichtet mitten am Bau. Sieben Jahre nach dem großen Erdbeben ist das Städtchen noch immer halb tot. Mehr als die Hälfte der Einwohner abgewandert, Baustellen überall, leere und zerstörte Häuser und Geschäfte, Schule noch immer im Container … richtig trauriger Ort! 😢

Von Norcia nach Cascia

Froh, von dem deprimierenden Ort endlich aufbrechen zu dürfen. Morgennebel und angenehme Tempertur dauern nicht lange an: die restlichen 16 km sehr sommerlich (ja, eh schön), auf 1000m rauf (mein Rucksack quält mich) …

… und dann Cascia entgegen (das Bergstädtchen ganz weit hinten). Zieht sich die letzten km enorm am Asphalt dahin, dabei geht’s wieder nach oben 😅. Ankommen war wunderbar! Bin sehr dankbar🙏🏼 Und überleg jetzt, wie ich nach einer göttlichen Dusche meine Blasen auf der Fußsohle am schnellsten wieder in den Griff bekomme – oder einfach bis morgen früh – ohne noch an irgend etwas zu denken – einfach schlafe 🥱.

Von Cascia bis …

Der nächtliche Blick aus dem Fenster und der frühe Morgen haben wieder Lebensgeister geweckt:

3 kg Ballast abgeworfen und ich schwebe heute mit 14 kg weiter 😇 zumindest die nächsten zwei Stunden

Dann wird’s mörderisch: Asphalt, Hitze, kein Schatten, ewig bergauf. Der „Wald“ dann brütend schwül, ich vor mich hin stöhnend und japsend.

… ins kleine Paradies

Nach der lautstarken und herzlichen Begrüßung schon von weitem durch die Herdenschutzhunde falle ich regelrecht zur Tür hinein – und beschließe spontan, einen sonntäglichen Ruhetag einzulegen.

„Colle del Capitano“ – Kultur, Wandern, Genießen in Umbrien: Agriturismo vom feinsten! Fantastische umbrische cucina della mamma 👌🏼 Der Abschied fällt ein bisserl schwer.

Über Monteleone di Spoleto nach Leonessa

Früher Aufbruch bei bedecktem Himmel und moderater Temperatur 🙏🏼 Um 8h ist das Bergdorf menschenleer.

Die restliche Strecke von 14 km verläuft relativ einfach durch Agrarlandschaft – auf „Strasserln“ hin und wieder durch eher wenig ansprechende Häuseransammlungen.

Knapp vor der Mittagspause Ankunft in Leonessa – ein verdienter Café geht sich vor Barschluss grad noch aus. Zimmer finde ich rasch, und dann fängt es auch schon an zu schütten. Ich fühl mich reich beschenkt, danke!

Und wieder eine traurige Stadt (baufällig, erdbebenbeschädigt, leer) 😢 Die morgige Bergetappe wird aus wettertechnischen Gründen mit dem 🚌 absolviert – Busfahren ist in Italien übrigens extrem preiswert!

Poggio Bustone

Nach einer abenteuerlichen Busfahrt durch eine fantastische grüne Berggegend angekommen – wieder rechtzeitig vor dem großen Regen. Ein Franziskus-Dorf hoch oben gelegen, friedvoll.

Das Kloster San Giacomo am Waldrand oberhalb von Poggio Bustone ist meine Bleibe noch bis morgen.

Und der Schlechtwettereinbruch mit Kälte und Dauerregen bietet sich an zur inneren Einkehr … 😇

San Giacomo

Mit „pace e bene“ begrüßen die drei Franziskaner-Padres ihre Gäste. Die Zeit an diesem unglaublich friedlichen Ort hat mich tief berührt.

Ganz im Geist vom hl. Franziskus leben die Tiere mit in der Gemeinschaft. Der aufgelassene Kiosk wurde zum Katzenhaus umfunktioniert, Fra Renzo sorgt rührend für alle. Für mich natürlich mit ein Grund, mich wohl zu fühlen.

Sacro Speco

Schon der Aufstieg durch den Waldweg (noch weitere 100 Höhenmeter über dem Konvent) bei strömendem Regen, keine Menschenseele weit und breit, nur Rauschen, Rascheln, Zwitschern und ich, ließen mich ganz wach werden.

Die Wolken hörten in eben diesem Moment auf zu regnen, als ich aus dem Wald kommend davor stand …

… die Türen fand ich unverschlossen vor. Mich in den frühen Höhlen und in der später darüber errichteten Kapelle zu bewegen, zu spüren und in dieser Stille zu verweilen, wird unvergesslich bleiben.

PS: Übrigens begann es unmittelbar nach meinem Aufbruch wieder zu schütten.

Dieser durch und durch heilige Ort war dann auch das Ankommen meines spirituellen Pilgerwegs – völlig unerwartet, und doch ganz klar.

… nicht ankommen müssen – unterwegs sein dürfen …

Jeder Augenblick trägt das Potential zur Veränderung in sich.

In diesem Sinne hat sich „mein“ Cammino di San Benedetto innerhalb von 20 Stunden recht umfassend verändert.

Entscheidungen

zu treffen, fällt nicht immer leicht. Zu akzeptieren, dass eine gewisse Physionomie in gewissen Belastungssituationen ein Handicap darstellt, fällt mir schon deutlich schwerer:

Hitze, schwüle Feuchtigkeit, dazu viel Asphalt an aufeinander folgenden Tagen ist in dem Ausmaß für meine Füße nicht (mehr) machbar. Ich bin ihnen sehr dankbar dafür, dass sie mich immer noch so weit tragen! Und verspreche ihnen, in Zukunft sehr auf ihre Bedürfnisse zu achten ❤️

Das Meer und ich

Ein bisschen Zeit schenke ich mir noch zum Um- und Nachdenken, zum Wassertreten, für ausgiebige Strandspaziergänge …

… und natürlich um das Leben mit einer wunderbaren Freundin sowie das italienische Lebensgefühl an sich zu genießen ❤️ so unter der Devise: „darf’s jetzt ein bisserl Leichtigkeit sein?“

Mehr an Rückschau und was sich sonst noch in Bewegung gesetzt hat, werde ich gerne nach dem Heimkommen – auf das ich mich im übrigen auch schon sehr freue – teilen. Schließlich dauert ein Pilgerweg doch etwas länger an als es die reine Gehzeit erscheinen lässt …